"Der Grundsatz des autonomen Verständnisses der im Unionsrecht verwendeten Begriffe verbietet es, denselben Begriffen des Unionsrechts die Bedeutung zu geben, die sie im nationalen Recht haben. Dies ermöglicht es Ihnen, Antworten auf viele Ihrer alltäglichen Fragen zu erhalten. Die Kenntnis der Grundprinzipien der europäischen Rechtsordnung ermöglicht es Ihnen also, praktische Probleme zu lösen. Es gibt Ihnen auch die Möglichkeit, vor den Gerichten und Behörden eines jeden Mitgliedstaates wirksam zu argumentieren". - sagte der Präsident des Europäischen Instituts für Arbeitsmobilität (ELMI), Stefan Schwarz, bei der Eröffnung des VII. Europäischen Kongresses für Arbeitsmobilität (ELMC) 2023.
Der oben genannte Gedanke wurde am zweiten Tag des Kongresses kreativ weiterentwickelt. Er war traditionell einer Reihe von praktischen Workshops gewidmet, die von anerkannten Praktikern aus Polen und dem Ausland geleitet wurden.
Über die Zukunft der Entsendung von Drittstaatsangehörigen, häusliche Pflege und Digitalisierung - praktisch!
Der Workshop-Block am Vormittag des zweiten Tages begann mit gleichzeitigen Präsentationen von Vertretern der ZUS (Dr. Andrzej Szybkie und Krzysztof Delert-Urban) und der obersten Arbeitsaufsichtsbehörde (Dyr. Dariusz Górski) zu den Themen, die jeden Unternehmer am meisten beschäftigen - Methoden zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten und Kontrolltätigkeiten in grenzüberschreitenden Situationen.
Da die Hauptthemen der EKMP 2023 die Mobilität von Arbeitnehmern - Drittstaatsangehörigen im EU-Binnenmarkt, die Zukunft der häuslichen Pflege älterer Menschen in der EU und die Digitalisierung bei der Entsendung von Arbeitnehmern waren, fehlte es am zweiten Kongresstag nicht an praktischen Präsentationen zu eben diesen Themen.
Ein spezieller Workshop über die Entsendung ukrainischer Bürger in andere EU-Länder wurde von Rechtsanwalt Tomasz Rogala von der Kanzlei PCS Paruch Chruściel Schiffter Stępień Chancellor | Littler (Kongresspartner) geleitet. ELMI-Präsident Stefan Schwarz und r.c. Dr. Marcin Kiełbasa wiederum wiesen in ihrem Vortrag "Vander Elst Visum - Grundrecht oder gewöhnliches Verbrechen" darauf hin, dass das deutsche Recht insofern gegen die Verpflichtungen aus Artikel 56 AEUV verstößt, als es für entsandte Arbeitnehmer, die Drittstaatsangehörige sind, deren Situation im Entsendestaat geregelt ist, eine Visumspflicht vor der Einreise nach Deutschland einführt und im Falle einer Einreise ohne Visum eine automatische Ausweisung vorsieht. Ungeachtet dessen verstößt die Rechtsprechung der deutschen Gerichte gegen den Grundsatz der Autonomie der Begriffe im EU-Recht, der verlangt, dass die im EU-Recht und im nationalen Recht verwendeten Begriffe unabhängig voneinander auszulegen sind.
Rechtsanwältin Dr. Karolina Ziemianin erklärte im Workshop "Urteil zum bulgarischen Pflegefall - 7 Dinge, die Sie wissen müssen", dass nach der Rechtsprechung der deutschen Arbeitsgerichte eine in Deutschland tätige Pflegekraft, wenn sie Arbeitnehmerin ist, für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit (und nicht nur für die vertraglich vereinbarte) zu vergüten ist. Die Vergütungspflicht umfasst auch den Bereitschaftsdienst und gilt nicht für die tatsächliche Freizeit. Gleichzeitig betonte die Referentin, dass das Titelurteil individuell sei und daher nicht automatisch für alle nach Deutschland entsandten Pflegekräfte gelte.
Die Themen Digitalisierung und Compliance bei der Entsendung von Arbeitnehmern wurden hingegen in einem Workshop von Wim Cocquyt und Jez Etherton (FRAGOMEN - Congress Partner) sowie von Rechtsanwalt Tanel Feldman und Rechtsanwalt Ewald Oberhammer (COMIC) behandelt - mit vielen praktischen Beispielen und Lösungen in diesem Zusammenhang.
Vertrauen und Zusammenarbeit ... und sicheres Wissen in unsicheren Zeiten
Carita Rammus von der Europäischen Kommission stellte am ersten Kongresstag fest, dass mehr gegenseitiges Vertrauen und Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Arbeitsmobilität erforderlich sind. Ein Workshop von Iwona Kasprzyk Sowa und Magdalena Klimczak-Nowacka (Europäisches Arbeitsamt, ELA) widmete sich u.a. diesem wichtigen Aspekt der grenzüberschreitenden Mobilität. Ein altes römisches Sprichwort besagt "vertraue, aber überprüfe", und so mangelte es nicht an praktischem Wissen über die Entsendung in einzelne EU-Mitgliedstaaten.
Wie bei jeder Ausgabe war es die Absicht der Organisatoren, den Schwerpunkt des Workshops auf die "beliebtesten" Entsendeziele zu legen - die so genannten Mitgliedstaaten, in die die meisten Arbeitnehmer entsandt werden. Nach den neuesten Recherchen der Gewinner des Labor Mobilis Award 2017 - Frederic De Wispelaere und Prof. J. Pacolet (und Lynn De Smedt) - sind dies Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Österreich, Italien und Schweden - befasste sich der Workshop mit diesen Richtungen und wurde von Anwälten des jeweiligen Rechts, die täglich in den jeweiligen Ländern praktizieren, durchgeführt (in der Reihenfolge - von mec. Beata Donay, Agnieszka Paszkowski, mec. Bruno De Pauw, mec. Marcin Lewandowski, mec. Rudi Vouk, mec. Davide Vieni und mec. Fabrizio Vittoria und mec. Martin Enquist Källgren). Bezeichnenderweise deckte der Workshop nicht nur die beliebtesten Entsendungsrichtungen ab, sondern auch die aktuellsten Themen - z.B. die Überlassung von Zeitarbeitnehmern in Deutschland (Rechtsanwalt Donay), die Schwierigkeiten der österreichischen Verwaltung bei der Anerkennung der Rechtmäßigkeit einer Entsendung nach Österreich (Rechtsanwalt Vouk) oder die Tätigkeit eines französischen (und nicht eines polnischen - entsendenden) Unternehmens in Frankreich.
Nicht zuletzt zeigt der zweite Kongresstag und sein Zuspruch durch die Teilnehmer und Referenten, dass sich rund um den Kongress eine Art Gemeinschaft von Entsende-Enthusiasten gebildet hat und weiter bildet, die sich um praktische und zuverlässige Lösungen bemüht. Dies ist eine hervorragende Prognose für die Zukunft in den derzeitigen unsicheren Zeiten.
mec. Marcin Kiełbasa